Carbon Farming: EU arbeitet an Zertifizierung
Der Klimawandel stellt eine der größten Herausforderungen unserer Zeit dar. Um den Anstieg der globalen Temperaturen zu begrenzen, müssen wir den Ausstoß von Treibhausgasen reduzieren und gleichzeitig Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen. Eine vielversprechende Möglichkeit, dies zu erreichen, ist das Konzept des Carbon Farming. Es geht darum, durch landwirtschaftliche Praktiken Kohlenstoff aus der Atmosphäre zu binden und in Böden und Biomasse zu speichern. Pflanzen nehmen Kohlenstoff aus der Atmosphäre auf, bauen diesen in ihre Biomasse ein und geben ihn auch über Wurzelexsudate an den Boden ab. Stirbt die Pflanze ab, zersetzt sich das organische Material im Boden nach und nach und es bildet sich Humus. Wie stabil Humus im Boden letztendlich ist und ob er bereits nach wenigen Jahren oder erst nach Jahrzehnten aufgezehrt ist, hängt von zahlreichen Umgebungsbedingungen wie z.B. Bodenart, Klima, Fruchtfolge, Bodenbearbeitung, Düngung, Biomassenachlieferung usw. ab.
Global gesehen dauert es in etwa ein bis zwei Jahrzehnte, bis im theoretischen Mittel der gesamte organisch gebundene Kohlenstoff in Boden und Vegetation einmal vollständig durch Photosynthese und Zellatmung bzw. durch Brände ausgetauscht wurde.
Die Bodenwissenschaft widerlegt dabei die alte Unterteilung von Humus in Nähr- und Dauerhumus und sieht vor allem in Position und Einpassung der Humusteilchen im Bodengefüge die Ursache für deren Stabilität im Boden. Ton-Humus-Komplexe mit den Calcium- und Magnesium-Kationen als Brückenbildner können mehrere Jahrhunderte im Boden überdauern. Diese Lebendverbauung findet nur bei starker Aktivität der Bodenlebewesen statt und wird anscheinend auch durch die Ausscheidungen von Pflanzen (sog. Wurzelexsudate) in deren direkten Umgebung begünstigt. Daneben ist die physikalische Abschirmung von organischer Substanz eine weitere Erklärung, wie der Zersetzungsprozess zeitweise unterbrochen bzw. verlangsamt werden kann. Hier werden organische Streuteilchen in Bodenaggregate eingeschlossen und so teilweise konserviert. So können z.B. ein ganzjähriger Bewuchs und eine angepasste Bodenbearbeitung dabei helfen, die Stabilität sowie die Nachlieferungspotential von Humus zu erhöhen.
EU arbeitet an Zertifizierung
Die EU sieht in der Kohlenstoffsequestrierung großes (= CO2-Einlagerung im Boden) Potential und arbeitet gerade an einem anerkannten Zertifizierungsrahmen, um die Wirksamkeit und Nachweisbarkeit dieser Maßnahmen sicherzustellen. Ob dieser Rahmen seinen eigenen Anforderungen gerecht wird, wird die Zukunft zeigen. Fakt ist jedoch, dass die in diesem Zuge oft geforderte Langfristigkeit relativ ist, da sich der Boden ohnehin ständig verändert und über die Pflanzen in Wechselwirkung mit der Atmosphäre steht. So ist nicht die Einmaligkeit einer Maßnahme, sondern die kontinuierliche Umsetzung einer solchen hinsichtlich Klimawirksamkeit und Humusaufbau entscheidend.
Auch wenn die Speicherung von Kohlenstoff ein zusätzliches Einkommen darstellen kann, so darf die Hauptverantwortung der Landwirtschaft die Versorgung der Bevölkerung mit gesunden Lebensmitteln nicht aus dem Fokus geraten. Allein schon durch diese Verantwortung ist seit jeher ureigenes Interesse unserer Bäuerinnen und Bauern, unsere Böden fruchtbar zu halten.